Hallo Ihr Lieben alle,
macht doch Spaß, dieser Thread!
Wobei ich ja nur auf der Suche nach einem gut instandgehaltenen 1100 der alten Baureihe bin, aber so ein schöner Intercooler, das wäre auch was. Suche ja auch noch einen County 1884, aber das ist ganz andere Baustelle.
Mit der "PlötzlichNichtMehrVerfügbarkeit" haben wir vor kurzem unsere eigenen und sehr dramatischen Erfahrungen machen müssen.
Die Ursache liegt hierbei sehr oft an der mangelhaften Kommunikation zwischen Maschinen- bzw. Fahrzeughersteller einerseits und den Herstellern der Komponenten andererseits und das noch über mehrere Stufen bis hinab zum Einzelbauteilhersteller, der im Elektronikbereich leider oft in Fernost zu suchen ist - wenn man ihn denn überhaupt findet.
Es ist ja nun mal so, dass Fendt (nur ein Beispiel) sein Info-Terminal nicht im Allgäu selbst herstellt, sondern in Geisenheim fertigen lässt. Andere Komponenten, z.B. hydraulischer Natur kommen teilweise aus Vrchlabà (hieß früher mal Hohenelbe und liegt am Südzipfel des Riesengebirges).
Diese Komponentenhersteller wiederum kaufen Bauteile für diese Terminals oder Hydrauliken nochmals zu, manchmal sogar in sogenannten „Kits“, die nochmals wiederum aus Teilen verschiedenster Vorlieferanten bestehen.
Es lebe die abgeschaffte Fertigungstiefe!
Noch ein Beispiel, auch tatsächlich so vorgefallen:
In unseren Maschinen steckt in einer Baureihe die elektronische Steuerung der Hydraulik des Tischantriebes drin.
Solch ein prozessorgesteuertes Proportional-Steuerventil ist ein individuell auf die Anforderungen der von uns hergestellten Maschinen (oszillierende Achse mit Sinus-Quadrat-Rampen) angepasstes Bauteil. Obendrein ist auch unser Markt nur ein Geschehen mit kleinen Stückzahlen.
Vor etwa einem Jahr erfuhren wir – ausgelöst durch eine zur Instandsetzung an den Hydraulik-Hersteller eingesandten Steuerung, sonst hätten wir es wohl erst noch viel später mitbekommen, dass sowohl für das Steuerventil eminent wichtige Teile (u.a. die Magnete), als auch für die Steuerung ein wichtiger Prozessor (ohne kompatiblen Nachfolger) ab sofort nicht mehr lieferbar sei.
Da wir Last Order für den vorzuhaltenden Ersatzteilbedarf in der Regel erst beim Ableben unserer Maschinentype machen - oder alternativ dann, wenn ein Zulieferer rechtzeitig die Abkündigung eminenter Bauteile anzeigt, waren wir volle Breitseite getroffen.
Man stelle sich vor, man liefert gerade eben eine Neumaschine aus und erfährt drei Tage später, dass es die darin verbaute Steuerung ab sofort nicht mehr gibt. Da wir für lebende Bauteile den Ersatzteilvorrat nur in Höhe des in der Wiederbeschaffungszeit abfließenden Bedarfs plus Bedarf für den Bau von verkauften Neumaschinen vorhalten, ist klar, dass bei einer Lieferzeit von 4 Monaten der Vorrat dann auch in 4 Monaten verbraucht ist.
Und dann? Zumal obendrauf solch wichtige Teile nicht mehr verfügbar sind, dass auch Reparaturen nicht mehr möglich sind. Schlagartig von 100 auf Null!
Wie bedient man im Kundendienst jetzt die Maschinen – und vor allem: was erzählt man dem Kunden?
Der Hydraulikhersteller ist zudem nicht ein Irgendwer, sondern ein namhaftes Unternehmen mit großer Tradition in dieser Technologie. Auch er hat bis in Malaysia versucht, die Prozessoren noch aufzutreiben, jedoch vergebens.
Wir haben uns für die Flucht nach vorn entschieden: Der Kunde bekommt die Wahrheit gesagt und im Defektfall die komplette Steuerung während der Gewährleistung für ihn kostenlos, später zum Sonderpreis durch eine neue ersetzt.
Da ich im Haus auch das Thema Hydraulik samt Steuerung verantwortlich betreue, war ich hautnah involviert, so hab ich mich also aufgemacht und Hersteller abgeklappert, die in der Lage wären, für drei Maschinengrößen (unterschiedliche Literleistungen) eine komplette Hardware kurzfristig zu liefern.
Da wurden Ventile bemustert, ausprobiert, diese eigenverantwortlich geöffnet, zerlegt, Kolben im Hundertstelbereich an der eigenen Fräsmaschine modifiziert, Software „vergewaltigt“, um die oszillierende Achse mit den geforderten Eigenschaften herauszukitzeln. Es wurde nötig, hydraulische und elektronische Rampen dergestalt zu überlagern, dass am Ende das gewünschte Ziel erreicht wurde.
(Dazu muss man wissen, dass die oszillierende Achse einen Sonderfall in der Hydraulik darstellt, dafür gibt es nur wenig Standard- oder Vorzugsware.
Der Normalfall ist eine Servo-Steuerung, die eine hydraulische Achse präzise positioniert und dann in Parkstellung geht. Unsere Maschinen müssen aber ohne Stillstand umsteuern, damit sich die Gleitführungen nicht setzen und ein sog. Losbrechmoment Erschütterungen in die Achse einbringt.)
Zum Glück ist es uns in kürzester Zeit tatsächlich gelungen, eine funktionierende Alternative darstellen zu können. Nach endlosen Kolbenmodifikationen und Softwareparametrierung haben wir jetzt eine Möglichkeit, im Feld ausfallende Steuerungen auszutauschen, dass sowohl die Neumaschinenfertigung als auch der Kundendienst weiter gewährleistet ist.
Das war „rapide prototyping“ en gros und en detail in einem. Zum Glück fiel in dieser Zeit keine im Feld stehende Maschine aus, Neumaschinenlieferungen verzögerten sich immerhin um fast einen Monat...
Man stelle sich vor, wir hätten Anlagenstillstände nicht beseitigen können. Folgekosten, Produktionsausfall, etc. Dann wäre die Juristerei angeworfen worden.
Und solche Fälle sind auch bei Bauteilen mit größeren Stückzahlen an der Tagesordnung. Hersteller wie beispielsweise Baumüller redesignen infolge Bauteilabkündigungen manche Produkte während des Lebenszyklusses bis weit über 10 x hinaus. Wir als deren Kunden bekommen das gar nicht mit, weil sich diese Modifikationen innerhalb des Gehäuses abspielen...
Auch so passiert: Sämtliche Hersteller von Frequenzumrichtern bekamen bei der (ebenfalls sehr spontanen) Abkündigung eines zum „Standard“ mutierten Vektorchips vor ein paar Jahren herbe Probleme, da ganze Produktreihen in Gefahr waren...
Auch für diesen Chip wurde der gesamte Planet auf den Kopf gestellt, um zu sehen, ob irgendwo noch ein paar Chips aufzutreiben wären, damit man zumindest so lange weiterproduzieren konnte, bis das Redesign abgeschlossen war.
Alles in allem: Es ist ein Graus mit dem notwendigen Übel Elektronik...
...aber es ist nun mal der Stand der Technik...
Zu Jan's Statement über den Mechatroniker:
jan schrieb:...
Zum Ausbildungsberuf Mechatroniker nach ein Wort.
Man hat diesen Beruf ins Leben gerufen, um das Personal für die Instandsetzung von Produktionsanlagen reduzieren zu können. Diese Leute sollten ursprünglich z.B: in der Nachtschicht einfache Arbeiten des Elektrikers sowie des Industriemechanikers erledigen können. Sie sind daher auch Elektrofachkräfte. Man hat also nie die Wissenstiefe eines ursprünglichen Ausbildungsberufs vermitteln wollen. Er ist daher auch keinen Berufsfeld direkt zugeordnet.
Nach dem ersten Hype hat sich nun das Einsatzziel eines Mechatronikers herumgesprochen, sprich die Modewelle ist durchgelaufen. Das sind auf jeden Fall meine Eindrücke aus der Zeit, wo ich Mechatroniker ausbilden durfte.
...
kann ich nur meine volle Zustimmung geben.
Die Erwartungen an die "eierlegende Wollmilchs.." haben sich zum Glück so langsam relativiert. Es waren aber die in diesem Beruf Ausgebildeten am wenigsten an der Überbewertung dieses neuen Berufsbildes schuld...
In diesem Sinne liebe Grüße an alle
Holger